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Wandsbecker Bothe

Der 1771–1775 erschienene „Wandsbecker Bothe“ gilt aufgrund des von Matthias Claudius geprägten Stils als eine der bedeutendsten deutschen Zeitungen des 18. Jh.

Beschreibung

Der „Wandsbecker Bothe“ erschien viermal pro Woche im Quartformat in einer Auflage von 400 Exemplaren. Die von dem Kopenhagener Grafiker Johann Martin Preißler gestaltete Titelvignette zeigte eine Eule, einen Dudelsack spielenden Putto sowie vier Frösche.

Die ersten drei „Politischen Seiten“ enthielten Nachrichten aus den Bereichen internationale Politik, Krieg und Proteste, Wirtschaft und Handel sowie Adelshöfe.

Im einseitigen unterhaltenden Teil mit der Überschrift „Gelehrte Sachen“ bzw. später „Poetischer Winkel“ fanden sich Gedichte, Glossen, Anekdoten, Theaterkritiken, Buchrezensionen sowie fiktive Dialoge und Briefwechsel, die teils in satirischer Form Stellung zu aktuellen oder moralischen Themen nahmen und stets anonym erschienen.

Hierzu lieferten neben Matthias Claudius als Redakteur u. a. Johann Gottfried Herder, Friedrich Gottlieb Klopstock, Gotthold Ephraim Lessing, Johann Wolfgang von Goethe sowie Mitglieder des Göttinger Hainbunds um Christian zu Stolberg Stolberg und Johann Heinrich Voß unregelmäßig Beiträge.

Der noch relativ unbekannte Claudius verfasste seine Texte oft aus der Perspektive des Boten Asmus; weitere fiktive Charaktere waren dessen Vetter Andres, der Schulmeister, Barbier, Pastor und Wirt und die Mutter. Indem diese Figuren einfache Leute aus dem Volk oder Autoritätspersonen repräsentierten, konnten die Texte gesellschaftliche und politische Entwicklungen kommentieren und kritisieren. Auch der als neutraler Übermittler auftretende Bote erlaubte sich Anmerkungen oder schwieg mittels typischer Gedankenstriche bedeutungsvoll und umging somit eine Zensur.

Ebenso wie die aus Großbritannien stammenden „Moralischen Wochenschriften“, an die sich der „Wandsbecker Bothe“ durch die stellvertreterartigen Diskussionen anlehnte, vertrat die Zeitung aufklärerische Ideen. Bei der Gegenüberstellung traditioneller und vermeintlich naiv-einfältiger Auffassungen wurde Letzteren mit ihrer subjektiven Erfahrung und Natürlichkeit ein eigener Wert zuerkannt.

Aufgrund des anspruchsvollen Stils, fremdsprachlicher Textpassagen, dem Einsatz von Ironie und diversen Anspielungen, die kulturelles und politisches Wissen voraussetzten, war die Zielgruppe eher ein gebildetes Publikum.

Geschichte

Die Vorgängerzeitung des „Wandsbecker Bothen“, der 1745 gegründete „Wandsbeckische Mercurius“, hatte durch satirische Berichterstattung über Klatsch und politische Skandale wiederholt für Beschwerden des Senats der Freien Reichsstadt Hamburg bei dem Besitzer des Adligen Gutes Wandsbek, Heinrich Carl von Schimmelmann, gesorgt. Nach dessen strengerer Zensur führten sinkende Verkaufszahlen 1770 zur Einstellung des Blattes.

Schimmelmann erteilte das Zeitungsprivileg daraufhin dem Hamburger Druckereibesitzer und Verleger Johann Joachim Christoph Bode. Als einziger Redakteur bzw. „Avisenschreiber“ wurde sein Bekannter Matthias Claudius eingestellt, der bis 1770 für die „Hamburgischen Addreß-Comptoir-Nachrichten“ gearbeitet hatte. Schimmelmann sicherte sich vertraglich eine Vorzensur sowie den Verzicht auf respektlose Formulierungen zu. Ob die geplante Druckerei vor Ort errichtet oder Bodes Druckerei genutzt wurde, ist unklar. Da das Privileg für Wandsbek galt, arbeitete Claudius nach dem Umzug v. a. in seinem Wohnhaus an der heutigen Wandsbeker Marktstraße, Ecke Litzowstraße.

Am 01.01.1771 erschien die erste Ausgabe der Zeitung. Bekannte fungierten als Korrespondenten aus Kopenhagen, Nordafrika und Lissabon. Obwohl nur für den politischen Bereich eingestellt, widmete sich Claudius zunehmend dem unterhaltenden Teil.

Von Beginn an kämpfte die Zeitung gegen die Hamburger Konkurrenz und verkaufte sich schlecht. 1773 erwirkte Bode die Umbenennung in „Der Deutsche, sonst Wandsbecker Bothe“, um eine überregionale Bedeutung herzustellen. Im Juni 1775 wurde Claudius gekündigt. Vermutlich übernahm Bernhard Christoph d’Arien die Redaktion. Am 28.10.1775 erschien die letzte Ausgabe.

1775–1782 veröffentlichte Claudius acht Bände unter dem Titel „Asmus omnia sua secum portans oder Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen“ mit ähnlichen literarischen Formen wie im unterhaltenden Teil der Zeitung, aus dem er zunächst v. a. überarbeitete Artikel übernahm.

Bedeutung

Trotz geringer Auflage und kurzer Erscheinungszeit erwarb sich die Zeitung durch die literarische Qualität und die renommierten Beiträger sowie den charakteristischen Stil einen überregionalen Ruf und trug wesentlich zu Claudius’ zunehmender Bekanntheit bei.

Besonderheiten

Das 1773 von Claudius veröffentlichte Gedicht „Der Schwarze in der Zuckerplantage“ gilt als erste Kritik eines deutschen Lyrikers an der auch durch Schimmelmann geförderten Sklaverei.

Der Titel des „Wandsbecker Bothen“ wurde zunehmend zum Synonym für Claudius. Dazu trugen auch die „Sämmtlichen Werke“ bei, deren Titelblatt die bekannte Eule und Frösche nun auf einem Hut als Symbol des Boten zeigte. Auch der 1840 für Claudius im Wandsbeker Gehölz aufgestellte Gedenkstein trägt mit Hut, Stab und Tasche die Insignien eines Boten, ebenso wie das Wappen Wandsbeks von 1877.

Mehrere Nachfolgezeitungen lehnten sich an den Titel an. Ab 1859 gab Friedrich Puvogel die Zeitung „Wandsbecker Bote und Stormarnsche Nachrichten“ heraus. Seit 1986 erscheint die Monatsschrift „Wandsbek informativ: Der Wandsbecker Bothe“ des Wandsbeker Bürgervereins von 1848 e. V.

In Wandsbek trägt eine Eckkneipe den Namen „Wandsbeker Bothe“, außerdem erinnert der Asmusweg an die Erzählerfigur.

Persönlichkeiten

Matthias Claudius GND: 118521098
Johann Martin Preißler GND: 116281928
Johann Joachim Christoph Bode GND: 118660438
Bernhard Christoph d’Arien GND: 127806679
Heinrich Carl von Schimmelmann GND: 118017323

Links

digitalisierte Ausgaben des „Wandsbecker Bothen“: http://catalog.hathitrust.org/Record/000677068 (Zugriff am 09.02.2024)

Verfasser/Künstler

Johann Joachim Christoph Bode, Matthias Claudius

Entstehungs-/Aufstelldatum

01.01.1771

Strukturansicht

Literatur

  • Der „Wandsbecker Bothe“, Claudius, Klopstock & Konsorten; Begleitheft zur Ausstellung in der Bibliothek der Helmut-Schmidt-Universität, 05. Mai–15. August 2015. Hamburg, Bibliothek der Helmut-Schmidt-Univ. 2015, GVK: 828390134
  • Pommerening, Michael : Matthias Claudius, Asmus, Andres, Görgel und Wandbecker Bote. Hamburg, Mühlenbek-Verlag 2014, GVK: 1628284021
  • Görisch, Reinhard : Matthias Claudius in Wandsbek und sein „Wandsbecker Bothe“. 2021, In: „Ich hab da 'n Büchel geschrieben ...“, Kiel: Stamp Media GmbH, 2021, (2021), S. 1–11, GVK: 1784499722
  • Redlich, Carl Christian : Die poetischen Beiträge zum Wandsbecker Bothen gesammelt und ihren Verfassern zugewiesen. Hamburg, 1871, GVK: 194286592

Weitere Literatur