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Georges-Arthur Goldschmidt

Georges-Arthur Goldschmidt ist ein deutsch-französischer Autor, Essayist und Übersetzer, der seine Kindheit in Reinbek verbrachte.

Ausbildung

Georges-Arthur Goldschmidt besuchte ab 1935 die Volksschule Reinbek, bis er am 09.04.1938 wegen seiner Emigration die Schule verließ. In Italien besuchte er kurz die deutsche Schule in Florenz, bevor ihn seine Gastmutter, die Schriftstellerin Otti Binswanger, privat unterrichtete. Ab März 1939 lebte er im katholischen Internat Collège Florimontane in Megève im Département Haute-Savoie. 1946 und 1948 bestand er das zweiteilige französische Abitur in Annecy und Pontoise. Anschließend studierte er an der Sorbonne in Paris Germanistik. 1953 erwarb er die Licence de Lettres und das Diplom des Études Superieurs (dem deutschen Dr. phil. entsprechend).

Beruflicher Werdegang

Nach einer kurzen Tätigkeit als Übersetzer bei der Documentation Française und einem Referendariat in Lille 1955 arbeitete Georges-Arthur Goldschmidt ab 1956 bis zu seiner Pensionierung 1992 an verschiedenen Gymnasien nahe und in Paris als Deutschlehrer. In den 1960er-Jahren begann er mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit.

Lebenslauf

Georges-Arthur Goldschmidt verbrachte die ersten Jahre seiner Kindheit zusammen mit seinen Eltern Toni und Arthur Goldschmidt sowie seinem älteren Bruder Erich in der Landgemeinde Reinbek.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten führte zur zunehmenden Ausgrenzung der Familie aus der Gesellschaft. Da seine evangelisch getauften Eltern jüdischer Herkunft waren, galt er nach den sogenannten Nürnberger Gesetzen als "nicht arisch“. Trotz seiner Taufe war Goldschmidt Diskriminierungen ausgesetzt. 1937 schloss ihn z. B. Pastor Paul Hermann Jakob Hartung aus dem Kindergottesdienst aus.

Als der Übergang auf ein Gymnasium jüdischen Schülern verwehrt wurde, beschlossen seine Eltern, ihn und seinen Bruder im Mai 1938 bei dem befreundeten Literaturwissenschaftler Paul Binswanger und seiner Frau in Italien in Sicherheit zu bringen. Als Binswangers nach Neuseeland emigrierten, schickten seine Eltern ihn und seinen Bruder im Mai 1939 mithilfe einer Verwandten in das Internat im Département Haute-Savoie in Frankreich. Nachdem das Département am 08.09.1943 von der deutschen Wehrmacht besetzt worden war, musste er zeitweise in Verstecken bei Bauern leben. Nach der Befreiung des Dorfs am 02.09.1944 kehrte Goldschmidt bis zum Bestehen des ersten Teils seines Abiturs in das Internat zurück. Anschließend lebte er in einem Waisenhaus in Pontoise bei Paris.

1949 nahm er die französische Staatsangehörigkeit an und konvertierte zum Katholizismus.

Von November 1953 bis März 1955 absolvierte Goldschmidt den französischen Militärdienst, den er als Dolmetscher in einer Garnison in Karlsruhe in Deutschland verbrachte.

1956 heiratete er die Lehrerin Lucienne Geoffrey.

Seiner Geburtsstadt Reinbek stattete er nach seiner Emigration privat erstmals 1949 einen Besuch ab. Später folgten auch offizielle Besuche, u. a. 2009 anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Reinbek.

Goldschmidt lebt in Paris.

Werk/Aktivitäten

Die traumatischen Erfahrungen des Exils im Internat und Versteck sowie die Schuldgefühle des Überlebens verarbeitete er später in zahlreichen Werken unter dem Namen Georges-Arthur Goldschmidt. Dabei setzte er sich mit dem bei Züchtigungen im Internat teils als lustvoll empfundenen Schmerz auseinander, der ihn in seiner Entwurzelung seine Existenz spüren ließ. Auch Selbstbefriedigung und jugendliche homoerotische Erfahrungen, die weitere Schuldgefühle und Strafen erzeugten, spiegelte er literarisch wider. Außerdem thematisierte er das Verhältnis von Sprache und Psychoanalyse. In seiner Erzählung „Ein Garten in Deutschland“ befasste er sich mit seiner in Reinbek verbrachten Kindheit. Mit seiner Trilogie „Die Absonderung“, „Die Aussetzung“ und „Die Befreiung“ erzählte er autofiktional seine Jugendgeschichte in der Emigration anhand seines literarischen Ichs Arthur Kellerlicht.

Einige Werke schrieb er in seiner Zweitsprache Französisch und übertrug sie später selbst ins Deutsche. Andere von ihm in Französisch verfasste Schriften übersetzte Peter Handke ins Deutsche. Goldschmidt wiederum übertrug Werke von Peter Handke ins Französische. Des Weiteren war Goldschmidt Übersetzer von Arbeiten u. a. von Georg Büchner, Friedrich Nietzsche, Franz Kafka, Adalbert Stifter und Walter Benjamin ins Französische.

Bedeutung

Georges-Arthur Goldschmidt ist ein profilierter Autor der Holocaustliteratur und intellektueller Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland.

Ehrenämter

1988–2000 Mitglied im Deutsch-Französischen Kulturrat

Ehrungen und Preise

1991 Geschwister-Scholl-Preis
1993 Bremer Literaturpreis
1994 Prix lémanique de la traduction
1997 Ehrendoktor der Universität Osnabrück
1999 Ludwig-Börne-Preis
2001 Nelly-Sachs-Preis
2002 Goethe-Medaille
2004 Prix France Culture
2005 Joseph-Breitbach-Preis
2007 Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung
2009 Ehrenbürgerschaft der Stadt Reinbek
2013 Prix de l'Académie de Berlin
2017 Ehrendoktor der Universität Bern
2023 Großer Deutsch-Französischer Medienpreis (mit Leïla Slimani)

Besonderheiten

Georges-Arthur Goldschmidt ist seit 2007 Schirmherr des nach ihm benannten Stipendiums für junge Literaturübersetzerinnen und -übersetzer.

Persönlichkeiten

Walter Benjamin GND: 118509039
Otti Binswanger GND: 116184183
Georg Büchner GND: 118516906
Arthur Goldschmidt GND: 119315599
Peter Handke GND: 118545574
Franz Kafka GND: 118559230
Friedrich Nietzsche GND: 118587943
Adalbert Stifter GND: 118618156

Links

Wikipediaartikel zu „Georges-Arthur Goldschmidt“: https://de.wikipedia.org/wiki/Georges-Arthur_Goldschmidt (Zugriff am 20.06.2023)

Ursula Homann, Dem Holocaust entgangen. Georges-Arthur Goldschmidt über die Abwesenheit Gottes: https://literaturkritik.de/id/6262 (Zugriff am 20.06.2023)

Lutz Wendler, Ehrenbürger. Ein Wiederkommen, aber keine Rückkehr nach Reinbek: https://www.abendblatt.de/region/stormarn/article206819653/Ein-Wiederkommen-aber-keine-Rueckkehr-nach-Reinbek.html (Zugriff am 20.06.2023)

Zu den Preisträgern Georges-Arthur Goldschmidt und Leïla Slimani: https://www.sr.de/sr/mediathek/video/DFJP_VERSTECKT_206.html (Zugriff am 10.10.2023)

Informationen zum Goldschmidt-Programm: https://www.buchmesse.de/foerderprogramme/goldschmidt-programm (Zugriff am 10.10.2023)

Familienname

Goldschmidt

vollständige Vornamen

Jürgen Arthur

Rufname

Georges-Arthur

Paten

Reinhart Bunsen; Carl Dobbertin; Ellen Raemisch, geb. Arnold

Geburtsdatum

02.05.1928

Geburtsort

Reinbek

Geschlecht

männlich

Religion

Am 30.12.1928 evangelisch getauft, 1949 zum Katholizismus konvertiert. Später bezeichnete Goldschmidt sich als Agnostiker, Atheist.

Berufe

Germanist, Lehrer, Übersetzer, Autor

Funktionen, Rang

Gymnasiallehrer

Ehe-/Lebenspartner

Lucienne Geoffrey (geb. 1928)

Kinder

zwei Söhne

Eltern

Arthur Felix Goldschmidt (1873–1947); Toni Katharina Jeanette Goldschmidt, geb. Horschitz (1882–1942)

Strukturansicht

Literatur von der Person

  • Goldschmidt, Georges-Arthur : Ein Garten in Deutschland, eine Erzählung. Zürich, Ammann 1988, GVK: 015939189
  • Goldschmidt, Georges-Arthur : Die Absonderung, Erzählung. Zürich, Ammann 1991, GVK: 023478748
  • Goldschmidt, Georges-Arthur : Die Aussetzung, eine Erzählung. Zürich, Ammann 1996, GVK: 279131623
  • Goldschmidt, Georges-Arthur : Über die Flüsse, Autobiographie. Zürich, Ammann 2001, GVK: 330549243
  • Goldschmidt, Georges-Arthur : Die Befreiung, Erzählung. Zürich, Ammann 2007, GVK: 530897776

Literatur

  • Landgrebe, Detlev : Kückallee 37, eine Kindheit am Rande des Holocaust. Rheinbach, CMZ-Verl 2009, GVK: 587557494

Weitere Literatur