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Alster-Beste-Kanal

Der Alster-Beste-Kanal war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein bedeutendes Projekt als Teil eines Wasserwegs zwischen den Reichsstädten Hamburg und Lübeck.

Lage

Der Kanal verlief als schiffbarer Graben zwischen den Dörfern Nienwohld und Sülfeld (heute Kreis Segeberg). Westlich von Nienwohld war er an die Alte Alster und somit ab Stegen in Richtung Hamburg an die Alster angeschlossen. Nördlich von Sülfeld mündete der Kanal in die Norderbeste.

Beschreibung

Der ca. fünf Kilometer lange Alster-Beste-Kanal verband die natürlichen, teils bereits schiffbaren, teils noch auszubauenden Wasserwege Alster, Norderbeste, Beste und Trave. Die Gesamtlänge des Wasserwegs zwischen Hamburg und der Ostsee betrug 91 km.

Beim Nienwohlder Moor überwand der Kanal die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee. Auf dieser Scheitelstrecke mussten ca. acht Meter Höhendifferenz überwunden werden, bis zur Norderbeste fiel das Gelände dann um neun Meter ab.

Im Kanal befanden sich mehrere Schleusenanlagen, darunter eine Schleusentreppe an der steilsten Stelle zur Mündung in die Norderbeste an der sogenannten Pastoratsschlucht in Sülfeld. Die genaue Zahl, Bauart und Lage weiterer Schleusen ist ebenso wenig bekannt wie die exakten Abmessungen des Kanals.

Geschichte

Nachdem Mitte des 13. und 14. Jahrhunderts erste Überlegungen zur Errichtung eines direkten Wasserwegs nach Lübeck gescheitert waren, hatte Hamburg seine Eigentumsrechte am Oberlauf der Alster sukzessive erweitert. Mitte des 15. Jahrhunderts ergriff die Reichsstadt die Initiative, den bislang umständlichen, teilweise über den Skagerrak oder den auf lauenburgischem Gebiet liegenden Stecknitzkanal führenden Wasserverkehr in den Ostseeraum zu erleichtern. Daraus resultierte ein im März 1448 geschlossener Vertrag zwischen Hamburg und Adolf VIII. von Holstein, der nötige Flächen zur Verfügung stellte, zum Bau eines schiffbaren Durchstichs zwischen Alster und Norderbeste. Später trat auch die Reichsstadt Lübeck, die die Rechte an der Trave zwischen Oldesloe und Lübeck besaß, dem Vertrag bei. Die Bauarbeiten wurden 1452/53 allerdings aus technischen und finanziellen Problemen eingestellt.

Dennoch blieb die Idee bestehen, zumal sich der Handelsverkehr zwischen Hamburg und Lübeck weiter intensivierte. Nachdem Friedrich I. von Dänemark durch Unterstützung Hamburgs und Lübecks König von Dänemark und Norwegen geworden war, schlossen diese drei Parteien im März 1525 auf Burg Segeberg auf Basis des alten Übereinkommens einen neuen Vertrag. Der geplante Bau wurde dabei als Neuer Graben, der unvollendete Kanal als Alter Graben bezeichnet. Die Baukosten teilten sich beide Städte, während Friedrich I. Baumstämme als wichtiges Baumaterial sowie Handdienste durch Bauern zur Verfügung stellte. Hamburg übernahm die Koordination sowie Bauausführung und zunächst auch die Baukosten, bevor Lübeck bis 1553 seine Raten beglich.

Nach Vorarbeiten begann der Bau am 07.08.1526 mit dem noch fehlenden Durchstich sowie Instandsetzungen und Neubauten der Schleusen. Zudem wurden eine teilweise Begradigung bzw. Verbreiterung und Vertiefung von Alster und Beste vorgenommen sowie ein Treidelweg angelegt. Während der Bauarbeiten am Kanal kam es aufgrund der weichen Moorböden zu Verzögerungen durch rutschende Böschungen, Dammbrüche und Schäden an Schleusen.

Erste Schleusungen fanden im Oktober 1528 statt, im August 1529 absolvierten vier Schiffe die Strecke Lübeck–Hamburg. Die Fahrt von Lübeck nach Hamburg dauerte ca. drei Tage, in die entgegengesetzte Richtung bis zu 14 Tage. Da der Kanal sein Wasser hauptsächlich aus den vom Oberflächenwasser abhängigen Mooren bezog, verzögerte Wassermangel häufig die Schifffahrt. Daher fuhren die ca. 10 bis 12 m langen Steckelschiffe in einem Konvoi, um flussabwärts den Wasserschwall der geöffneten Schleusen zu nutzen. Bergwärts fahrenden Schiffen, die getreidelt wurden, musste genügend Wasser entgegengesandt werden. Für die Nutzung des Kanals fiel ein Schleusengeld an. Es wurden v. a. Holz, Kalk vom Segeberger Kalkberg, Torf und Findlinge transportiert.

Durch den Kanalbau ergaben sich Konflikte mit adeligen Grundbesitzern, über deren Ländereien der Treidelpfad verlief oder die durch aufgestautes Wasser beeinträchtigt wurden. Sie erhielten zwar Kompensationen, dennoch kam es später zu Blockaden des Kanals, festgesetzten Schiffen und gerichtlichen Auseinandersetzungen – etwa durch den Besitzer den Adligen Guts Borstel, Jasper von Buchwaldt.

Wegen dieser anhaltenden Konflikte, häufigem Wassermangel, steigenden Kosten für die Instandhaltung von Uferbefestigungen und Schleusenfundamenten kam der Kanalbetrieb um 1550 zum Erliegen. Auch die abnehmende Bedeutung als Handelsweg spielte eine Rolle. Der Kanal und seine Bauten verfielen anschließend.

Mehrfach gab es Überlegungen zur Wiederaufnahme der Kanalverbindung: 1609/10 auf Initiative Hamburgs, 1618 durch ein Lübecker Gutachten und 1679 durch Christian V. von Dänemark. 1770 sowie 1798 gab es Vorschläge, die Alster über die Trave mit der Schwentine bis Kiel zu verbinden. Um 1810 plante Napoleon I. Bonaparte unter Einbeziehung des Kanals eine Verbindung vom Rhein über Weser und Elbe zur Ostsee. Zuletzt sandte Friedrich August Lorentzen 1820 der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe einen Plan zur Wiederaufnahme der Kanalverbindung zwischen Hamburg und der Ostsee.

Bedeutung

Der Alster-Beste-Kanal gilt trotz seiner nur kurze Nutzungsdauer als ein überregional bedeutsames Wasserbauprojekt der Frühen Neuzeit, das mehrere Territorien betraf.

Nutzung

Ein Wanderweg führt entlang des ehemaligen Kanalverlaufs durch das Nienwohlder und Sülfelder Moor.

Alster-Beste-Kanal bei Nienwohld, 1966

Erhaltungszustand

In Sülfeld sowie im Sülfelder und Nienwohlder Moor ist der Kanal teilweise noch als schmaler Bachverlauf erkennbar.

Besonderheiten

Der Alster-Beste-Kanal findet sich als Symbol in den Wappen der Gemeinden Sülfeld, Bargfeld-Stegen sowie Nienwohld.

In der Gemeinde Sülfeld erinnern die Straßen Am Großen Graben sowie Am alten Alsterkanal an Kanal und Schleusenbecken. Darüber hinaus hat sich hinter dem dortigen Pfarrhaus die Pastoratsschlucht erhalten. Dort fanden sich 2016 freigespülte Eichenbohlen der Anlage.

Durch einen von Magnus I. von Sachsen-Lauenburg angestrengten Prozess, der sich als Besitzer des Adligen Guts Tremsbüttel und Betreiber des Stecknitzkanals durch den Kanalbau benachteiligt sah, hat sich im Schleswig-Holsteinischen Landesarchiv eine 1528 von Hamburg vorgelegte Landkarte als älteste handgezeichnete Karte Schleswig-Holsteins erhalten.

Beim Brand des Hamburger Rathauses 1842 wurden Unterlagen vernichtet, die über die Kanalmaße sowie die Anzahl der Schleusungen samt Zolleinnahmen und somit die Wirtschaftlichkeit des Kanals Aufschluss gegeben hatten.

Persönlichkeiten

Adolf VIII. von Holstein GND: 137503652
Friedrich I. von Dänemark GND: 119187620
Jasper von Buchwaldt
Christian V. von Dänemark GND: 119175800
Napoleon I. Bonaparte GND: 118586408
Friedrich August Lorentzen GND: 1055258779
Magnus I. von Sachsen-Lauenburg GND: 104176784

Datierung Schutzstellung

20.07.2015

Begründung Schutzstellung

Die Sülfelder Pastoratsschlucht sowie Reste eines ehemaligen Schleusenbeckens westlich der Sülfelder Brücke sind als Relikte des Alster-Beste-Kanals als erhaltenswert in die Denkmalliste der unbeweglichen archäologischen Kulturdenkmale im Kreis Segeberg eingetragen.

14 400
Alster-Beste-Kanal directions_car 53.7958460000 10.2081040000

Bundesland

Schleswig-Holstein

Kreis/ Kreisfreie Städte

Stormarn, Segeberg

GPS-Standort

53° 47' 45'' N, 10° 12' 29'' O

Auftraggeber

Stadt Hamburg, Stadt Lübeck, Königreich Dänemark

Strukturansicht

Literatur

  • Hahn, Rita : Der Alster-Trave-Kanal e. Beitrag zur Industriearchäologie u. zur Wüstungsforschung. 1988, In: Mitteilungen des Canal-Vereins, Rendsburg: Canal-Verein, 1980, 9(1988), S. 41–104, GVK: 359840698
  • Bärwald, Ulrich : Sülfeld und der Alster-Trave-Kanal zur Restaurierung eines wassergebundenen Handelsweges. 1993, In: Jahrbuch des Alstervereins e. V., Hamburg-Bergstedt: Alsterverein, 1901, 69(1993), S. 9–16, GVK: 050539140
  • Bärwald, Ulrich : Der Alster-Trave-Kanal – als Symbol festgeschrieben in den Gemeindewappen Sülfeld und Bargfeld-Stegen. 1996, In: Jahrbuch für den Kreis Stormarn ..., Großhansdorf: ProFunda-Verl., 1983, 15(1997), S. 131–137, GVK: 350997772
  • Petersen, Niels : Neue Gräben, der Alster-Trave-Kanal und andere Wasserstraßenprojekte im 16. Jahrhundert. 2013, In: Flüsse in Norddeutschland, Stade: Landschaftsverb. der Ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, 2013, (2013), S. 225–244, GVK: 774118520
  • Lorenzen, Friedrich August : Ueber eine Kanal-Verbindung zwischen der Elbe und Ostsee vermittelst der Alster und der Trave. Mit zwey Charten. Eine von der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe gekrönte Preisschrift nebst einer Vorrede und einem Anhange. Hamburg, Perthes & Besser 1820, GVK: 212097741

Weitere Literatur