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Sönke Nissen

Der Eisenbahnbauingenieur und Unternehmer Sönke Nissen war seit 1912 Besitzer des Gutes Glinde.

Ausbildung

Sönke Nissen besuchte die Dorfschulen in Klockries sowie Lindholm (beide heute Risum-Lindholm, Kreis Nordfriesland). 1887 begann er bei seinem Vater eine Zimmermannslehre. Parallel dazu absolvierte er an der Staatlichen Schule für Bauhandwerker in Hamburg in den Wintermonaten eine Ausbildung zum Techniker-Aspiranten, die er im Frühjahr 1892 abschloss.

Beruflicher Werdegang

Sönke Nissen arbeitete nach seiner Ausbildung und dem Militärdienst als Zimmergeselle in Hamburg. Eine Bewerbung als Deichinspektor für den Kreis Tondern scheiterte. Ende 1894 trat er eine Stelle bei der Altonaer Bauabteilung der Berliner Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Lenz & Co. an, die Nissen zunächst in Vorpommern einsetzte. Nach seiner Beförderung zum Eisenbahn-Bau-Ingenieur 1898 war er als Bauleiter auf der Insel Alsen (heute Dänemark) sowie in Westpreußen (heute Polen) tätig.

Als die Firma ab 1903 in staatlichem Auftrag eine Teilstrecke der Usambarabahn im Norden von Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) errichtete, übernahm Nissen die Bauleitung. Für die frühzeitige Fertigstellung der Strecke 1905 wurde er zum Oberingenieur befördert und erhielt eine Sondervergütung, die ihm seine späteren Investitionen ermöglichte.

Ab August 1905 entsandte die Deutsche Kolonialeisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft, eine Tochterfirma von Lenz & Co., Nissen nach Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia). Beim Bau der Lüderitzbahn, die auch der militärischen Kontrolle über die einheimische Bevölkerung im Rahmen des Kolonialkriegs dienen sollte, setzte Nissen hunderte kriegsgefangene Herero als Zwangsarbeiter aus dem eigenen Lager der Firma Lenz ein. Schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen führten zu einer hohen Todesrate. Auch dieses Projekt schloss Nissen 1908 deutlich vor dem geplanten Termin ab.

Am Bau der 1908-1910 erstellten Zweigstrecke Seeheim-Kalkfontein war Nissen ebenso beteiligt wie an der Planung für die erst 1912 fertiggestellte Strecke Windhoek-Keetmanshoop.

Nach dem Fund des ersten Diamanten in Deutsch-Südwestafrika 1908 sicherte sich Nissen noch vor Bekanntwerden des Fundes gemeinsam mit seinen Kollegen August Stauch und Max Weidtmann sowie dem Firmeninhaber Friedrich Lenz als Diamant-Schürfgesellschaft Kolmanskuppe die Schürfrechte nahe der Bahnstrecke. An der 1909 in Berlin gegründeten Kolonialen Bergbau-Gesellschaft mbH hielt Nissen 20 % der Anteile und wurde dadurch mehrfacher Millionär.

Nissen ließ sich 1910 in Berlin nieder und betätigte sich zunehmend als Investor in Industrieunternehmen, Immobilien, Grundstücke, Eisenbahngesellschaften sowie Schafzuchtfarmen.

1912 erwarb Nissen das Gut Glinde und führte es mit einem Gutsverwalter weiterhin als landwirtschaftlichen Musterbetrieb der Milchviehhaltung. Er baute das Gutshaus um, ließ Wirtschaftsgebäude sowie für die Gutsarbeiter Deputatshäuser und ein Altersheim errichten und unterhielt Pachtweiden zur Nachzucht in Nordfriesland.

Am 09.12.1921 heiratete er Elisabeth Johanna Magda Rabe, die vom Gut Schönkamp bei Lübeck stammte. Kurz vor Nissens Tod wurde im Juli 1923 ihr Sohn Sönke Georg geboren.

1922/23 investierte Nissen in die Eindeichung eines Koogs in Nordfriesland. Der nach ihm benannte Sönke-Nissen-Koog wurde erst 1924-1926 nach seinem Tod errichtet.

Werk/Aktivitäten

Sönke Nissen engagierte sich in der Gemeinde Glinde auch politisch, finanzierte ein Feuerwehrgerätehaus, einen Sportplatz sowie das Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Für die damalige Zeit unüblich gewährte er seinen Arbeitern u. a. eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und leistete nach dem Ersten Weltkrieg finanzielle Unterstützung in Nordfriesland.

Bedeutung

Sönke Nissens Engagement für die Landgemeinde Glinde sowie Investitionen seiner Nachlassverwalter in Wohnbauten in der Glinder Ortsmitte und die Gründung der Gemeinschaftszentrum Sönke-Nissen-Park Stiftung aus Mitteln des Nachlasses samt Übertragung des Gutshauses nahmen maßgeblich Einfluss auf die Entwicklung der Stadt Glinde.

In seinem Beruf als Eisenbahningenieur gelang Nissen der Streckenbau in den afrikanischen Kolonien des Deutschen Reiches trotz schwieriger landschaftlicher und klimatischer Bedingungen. Durch den Arbeitseinsatz von Kriegsgefangenen, deren Dienste er teils auch privat als Diener in Anspruch nahm, war er dabei an der Ausbeutung und Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung im Rahmen des mittlerweile als Völkermord anerkannten Konflikts beteiligt. Finanziell profitierte Nissen erheblich vom System des Kolonialismus, auf dessen Basis er sein Vermögen erst erlangen konnte.

Ehrenämter

1914-1918 Mitglied der Gemeindevertretung Glinde

1914-1919 stellvertretender Amtsvorsteher des Amtsbezirks Ohe

1916-1923 Mitglied des Stormarner Kreistags

ab 1918 Verbandsvorsteher des Südstormarnschen Wegebauverbandes

1919-1923 Amtsvorsteher des Amtsbezirks Ohe

Angehöriger der Kreiskleinbahnkommission des Kreises

Vorsitzender des landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes

Ehrungen und Preise

Vor Sönke Nissens Geburtshaus in Klockries am heutigen Sönke-Nissen-Wäi erinnert eine Gedenktafel an ihn. In Glinde ist ein Pfadfinderstamm nach Nissen benannt, die dortige Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule nach seinem Sohn. Nahe des ehemaligen Gutshauses verläuft die Sönke-Nissen-Allee.

Persönlichkeiten

August Stauch GND: 134268865
Max Weidtmann
Friedrich Lenz GND: 117640026

Links

Wikipedia-Artikel zu Sönke Nissen: https://de.m.wikipedia.org/wiki/S%C3%B6nke_Nissen (Zugriff am 29.03.2022)

Neue Forschungsergebnisse zu Sönke Nissens kolonialer Vergangenheit: www.taz.de/Deutsch-Suedwest-an-der-Nordsee/!5700799/ (Zugriff am 29.03.2022)

Familienname

Nissen

vollständige Vornamen

Sönke

Geburtsdatum

27.12.1870

Geburtsort

Klockries (heute Risum-Lindholm)

Sterbedatum

04.10.1923

Sterbeort

Glinde

Begräbnisort

Reinbek

Geschlecht

männlich

Religion

evangelisch

Berufe

Zimmermann, Techniker, Eisenbahningenieur, Unternehmer

Ehe-/Lebenspartner

Elisabeth Johanna Magda Nissen, geb. Rabe (24.07.1895-02.12.1985); in 2. Ehe verh. Dahlerus

Kinder

ein Sohn

Eltern

Nis Nissen (1830-1895), Gönke Katharina Nissen, geb. Hansen (1836-1908)

Strukturansicht

Literatur

  • Gerber, William : Sönke Nissen sein Leben und seine kulturellen Schöpfungen. Hamburg, 1964, GVK: 32162131X
  • Petersen, Marco L. : Erinnerungsarbeit zur Biografie des nordfriesischen Kolonialakteurs Sönke Nissen Deiche, Tod und Diamanten. 2018, In: Sønderjylland-Schleswig kolonial, Odense: Syddansk Universitetsforlag, 2018, (2018), Seite 385-418, GVK: 1688674977
  • Paulsen, Nis : Sönke Nissen-Koog 1924 - 1974. [Bredstedt], Breklumer Verlag 1974, GVK: 17199647X
  • Glinde 2004 eine lebendige Ortsgeschichte. Glinde, Agentur Hans-Jürgen Böckel 2004, GVK: 391980785
  • Lohmeier, Dieter 1940- : Nissen, Sönke geb. 27.12.1870 Klockries, Ksp. Lindholm (Nordfriesland)-gest. 4.10.1923 Glinde b. Reinbek ; Tiefbauingenieur, Unternehmer. 1994, In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck ; Bd. 10, Neumünster: Wachholtz, 1994, (1994), Seite 267-269, GVK: 718082605

Weitere Literatur