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Norderstedt-Gesetz

Das Norderstedt-Gesetz von 1969 bildete die Rechtsgrundlage für den Zusammenschluss von vier Gemeinden der Kreise Stormarn und Pinneberg zur neuen Stadt Norderstedt.

Ursachen und Vorgeschichte

Der raumplanerische Regelungsbedarf ergab sich aus den strukturellen Problemen, die mit Bevölkerungsanstieg und Wirtschaftswachstum ab der Nachkriegszeit in Stormarn und dem weiteren Umland entstanden waren. Nördlich von Hamburg zeigten sie sich besonders verdichtet in einer ungeregelten Bebauung, einer willkürlichen Verkehrsplanung sowie konkurrierenden Gewerbeansiedlungen in den Gemeinden Harksheide und Glashütte im Kreis Stormarn sowie Garstedt und Friedrichsgabe im Kreis Pinneberg. Die schleswig-holsteinische Landesregierung sowie die betroffenen Kreise und Gemeinden stimmten grundsätzlich darin überein, dass eine kommunale Neuordnung dieses Raumes notwendig sei. Allerdings bestand keine Einigkeit über den Weg zur Lösung der Probleme. Während nach Auffassung der Landesregierung nur eine umfassende gesetzliche Regelung der kommunalen Grenzen eine wirksame Regionalplanung garantieren würde, lehnten die Kommunen diesen Weg ab. Um ihre Eigenständigkeit zu wahren, votierten sie stattdessen für eine interkommunale Zusammenarbeit. Entsprechend wurden unterschiedliche Modelle in den von Landesregierung und Gemeinden in Arbeit gegebenen Gutachten vorgeschlagen. Differenzen bestanden etwa in den Fragen der künftigen Anzahl der Gemeinden und ihrer jeweiligen Zuordnung zu einem der Kreise. Daher schritt die Landesregierung unter Ministerpräsident Helmut Lemke Ende der 1960er-Jahre zu einer gesetzlichen Regelung.

Verlauf und Akteure

Das am 30.10.1968 in den Landtag eingebrachte Norderstedt-Gesetz wurde am 25.03.1969 beschlossen, seine amtliche Bezeichnung lautet: Erstes Gesetz einer Neuordnung von Gemeinde- und Kreisgrenzen sowie Gerichtsbezirken. Die damit festgelegten Gebietsabgrenzungen fassten die Gemeinden Harksheide, Glashütte, Garstedt und Friedrichsgabe zur Stadt Norderstedt zusammen, die zum Kreis Segeberg kam. Das Gesetz trat am 01.01.1970 in Kraft. Ausschlaggebend für die Zuordnung Norderstedts zum Kreis Segeberg war die vom Achsenkonzept Fritz Schumachers beeinflusste raumplanerische Überlegung, alle Orte auf der nördlichen, Richtung Kaltenkirchen führenden Aufbauachse in einem Kreis zusammenzufassen. Flankierend begründete der Gesetzgeber einen Planungszweckverband Norderstedt-Kaltenkirchen, der beauftragt wurde, den Flächennutzungsplan für das Verbandsgebiet aufzustellen. Im Übrigen resultierten aus dem Gesetz Folgeregelungen, etwa für die Bediensteten der betroffenen Kommunen und für die Organisation des Gerichtswesens.

Folgewirkungen und heutige Bedeutung

Für die Kreise Stormarn und Pinneberg bedeutete die Bildung von Norderstedt einen weiteren Verlust von Gebieten, Bevölkerung und Wirtschaftskraft, nachdem sie bereits infolge des Groß-Hamburg-Gesetzes von 1937 entsprechende Einbußen erlitten hatten.

Seit Mitte des Jahres 2021 ist Norderstedt - gemessen nach der Einwohnerzahl - die viertgrößte Stadt in Schleswig-Holstein.

Besonderheiten

Die Kreise Stormarn und Pinneberg sowie alle vier betroffenen Gemeinden klagten während des Gesetzgebungsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Norderstedt-Gesetz. Sie machten geltend, dass es das kommunale Selbstverwaltungsrecht verletze. Dies sah das Bundesverfassungsgericht als nicht zutreffend an und lehnte die Klagen ab.

Durch die Bildung von Norderstedt erhielt der Kreis Segeberg eine gemeinsame Grenze mit Hamburg.

Persönlichkeiten

Fritz Schumacher GND: 118611585
Helmut Lemke GND: 118571451

Beginn

30.10.1968

Ende

01.01.1970

Orte

Harksheide, Glashütte, Garstedt, Friedrichsgabe, Norderstedt

Strukturansicht

Literatur

  • Bernstein, Axel : Die Gebietsreform in Schleswig-Holstein die Neugliederung der Kreise in den 1960er und 1970er Jahren. Bielefeld, Verl. für Regionalgeschichte 2010, GVK: 603704263
  • Fischer, Norbert 1957- : Die modellierte Region Stormarn und das Hamburger Umland vom Zweiten Weltkrieg bis 1980. Bad Oldesloe, Kulturstiftung der Sparkasse Stormarn 2000, GVK: 320758400

Weitere Literatur