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Adeline von Schimmelmann

Adeline von Schimmelmann war eine international wirkende Evangelistin und Wegbereiterin christlicher Sozialfürsorge.

Ausbildung

Adeline von Schimmelmann erhielt mit ihren Geschwistern im Herrenhaus Schloss Ahrensburg Privatunterricht, u. a. in Englisch und Französisch. Im Sommer 1872 wurde sie an der Privatschule Luisenstift in Niederlößnitz (heute Radebeul, Sachsen) unterrichtet.

Lebenslauf

Adeline von Schimmelmann wurde 1854 als fünftes von elf Kindern geboren und wuchs im elterlichen Herrenhaus Schloss Ahrensburg auf. Sie war eine Ururenkelin von Heinrich Carl von Schimmelmann.

1872-1890 wirkte sie als kaiserliche Hofdame in Berlin im Dienst von Augusta von Preußen.

Von einem Vortrag des Pastors und Theologen Otto Funcke im Sinne der pietistischen Erweckungsbewegung beeinflusst, wandte sie sich ab 1886 religiösen und karitativen Fragen und Problemen zu. Schimmelmann nahm mehrere Jungen als Pflegekinder auf. 1904 adoptierte sie Paul Fredrik Schimmelmann, dessen Herkunft ungeklärt blieb.

Im Februar 1894 erwirkten ihre Geschwister - wohl im Rahmen von Erbstreitigkeiten - Schimmelmanns Einweisung in die Psychiatrie des Kommunehospitals Kopenhagen (Dänemark) wegen angeblicher religiöser Wahnideen. Nach einer Verlegung in die staatliche Anstalt Oringe in Vordingborg (Dänemark) wurde sie im Juni 1894 als geistig gesund entlassen und eine zuvor angeordnete Vormundschaft beendet. Schimmelmann sah sich in ihrem Wirken bestärkt und erlangte durch die Presseberichterstattung sowie eine Debatte im dänischen Reichstag zum sogenannten Psychiatrieskandal weitere öffentliche Bekanntheit.

Neben ihrem Wohnsitz in Berlin hielt sich Schimmelmann in dem 1902 mit ihrem Adoptivsohn erworbenen Forsthaus in Bischofsheim in der Rhön (Bayern) auf, das sie zum Schloss Frederikstein umbauen ließen - das heutige Jagdschloss Holzberghof.

Nach mehreren Operationen starb Schimmelmann 1913 verarmt im Hamburger Diakonissenstift Zoar. Aufgrund der Streitigkeiten verweigerten ihre Geschwister eine Beisetzung im Familiengrab.

Werk/Aktivitäten

Bei einem Erholungsaufenthalt auf der Insel Rügen 1886 wurde Adeline von Schimmelmann auf die prekäre Situation der lokalen Fischer aufmerksam, für die sie im Folgejahr in Göhren ein Seemannsheim gründete. Ab 1889 kamen Heime auf der Greifswalder Oie und in Sassnitz sowie 1904 in Kiel hinzu, die meist nur wenige Jahre Bestand hatten.

Schimmelmann engagierte sich sozialkaritativ und zunehmend missionarisch als Predigerin an der Ostseeküste, in Berlin und Hamburg. Sie bekämpfte Alkoholismus, hielt Bibelstunden, Andachten, Vorträge und Evangelisationen ab. Ab den 1890er-Jahren absolvierte sie ihre Fahrten mit einem eigenen Kutter. 1895 erwarb sie die Hochseeyacht „Duen“, die sie u. a. bei ihrer Reise 1898-1900 an der Ostküste der USA und Kanadas nutzte, wo sie Armenspeisungen und Evangelisationen abhielt.

Nach ihrer Rückkehr dehnte sie ihre Tätigkeit als freie Evangelistin nach Württemberg, dem Ruhrgebiet, Pommern, Ostpreußen, Dänemark, Schweden, Italien, Monaco, England, Wales und Schottland aus.

Ab 1894 wurde Schimmelmann publizistisch tätig. Sie verarbeitete ihre Erfahrungen in der Psychiatrie in Gedichten sowie einem Tagebuch und schrieb zahlreiche Traktate mit religiösen Botschaften. Im eigenen Verlag gab sie ab 1903 die Zeitschrift „Leuchtturm“ heraus, die 1905 in „Leuchtfeuer“ umbenannt wurde. Ihre 1896 zuerst auf Englisch publizierte Autobiografie erschien in einer Auflage von 70.000 Exemplaren.

1896 trug sie eine Kontroverse mit dem Rostocker Pastor Ludwig Heinrich Hunzinger über das kirchliche Schweigegebot für Frauen in theologischen Fragen aus. Dabei kritisierte sie die rein dienende Rolle von Frauen als Diakonissen innerhalb der protestantischen Kirchen.

Die 1906 gegründete Gräfin Adeline Schimmelmann’s Internationale Mission GmbH diente der Einwerbung von Spenden und der Koordination ihrer vielen Projekte, u. a. der weltweiten Verteilung christlicher Schriften an Seeleute. Bei ihren publizistischen Aktivitäten wie auch bei ihrer Missionsarbeit wurde sie von ihrem Adoptivsohn unterstützt.

Bedeutung

Als reisende Evangelistin repräsentierte Adeline von Schimmelmann auch angesichts ihrer Zugehörigkeit zum Adel einen unkonventionellen, dem zeitgenössischen Frauenbild widersprechenden Lebensstil.

Ihre sozialkaritativen Aktivitäten lassen sich – wenn auch ohne entsprechende organisatorische Anbindung - in den Kontext der Inneren Mission einordnen. Schimmelmanns religiöse Ansichten überschnitten sich mit Elementen der pietistischen Erweckungsbewegung, insbesondere der im späten 19. Jahrhundert aufblühenden Heiligungs- und Gemeinschaftsbewegung, von denen sie sich allerdings abgrenzte und eine eigenständige, evangelistisch geprägte Auffassung entwickelte.

Besonderheiten

Adeline von Schimmelmann gehörte als Konventualin den Damenstiften Vallø (Dänemark) sowie Preetz (Kreis Plön) an.

Die Berliner Polizei führte 1901-1913 eine Akte über ihre Aktivitäten.

Persönlichkeiten

Augusta von Preußen GND: 118651102
Heinrich Carl von Schimmelmann GND: 118917323
Otto Funcke GND: 118536850
Ludwig Heinrich Hunzinger
Ernst von Schimmelmann
August Bernhard Ueberwasser GND: 189501626
Louise Henriette von Reventlow GND: 1026888832
Carl August von Lützerode GND: 117204306X

Links

Website zu einem Forschungsprojekt der Universität Hamburg: www.adelineschimmelmann.de (Zugriff am 28.12.2021)

Familienname

von Schimmelmann

vollständige Vornamen

Luise Adelaide Caroline

Rufname

Adeline

Paten

Louise Henriette von Reventlow, Carl August von Lützerode, Caroline von Lützerode

Geburtsdatum

19.07.1854

Geburtsort

Ahrensburg

Sterbedatum

18.11.1913

Sterbeort

Hamburg

Begräbnisort

Friedhof Ahrensburg

Geschlecht

weiblich

Religion

evangelisch

Berufe

Predigerin, evangelistische Missionarin

Kinder

ein Adoptivsohn, zwei weitere Pflegesöhne

Eltern

Ernst von Schimmelmann (1820-1885), Adelaide von Schimmelmann, geb. von Lützerode (1823-1890)

Strukturansicht

Literatur von der Person

  • Schimmelmann, Adeline von 1854-1913 : Streiflichter aus meinem Leben am deutschen Hofe, unter baltischen Fischern und Berliner Socialisten und im Gefängnis, einschließlich "Ein Daheim in der Fremde" von Otto Funke. Leipzig, Evang. Verl.-Anst. 2008, GVK: 568929098
  • Schimmelmann, Adeline von 1854-1913 : Aus dem Tagebuch der Gräfin Adeline Schimmelmann <Hofdame ... der Kaiserin Augusta>. Rostock, Hinstorff 1896, GVK: 360844944

Literatur

  • Adeline Gräfin von Schimmelmann adlig, fromm, exzentrisch. Neumünster, Wachholtz 2011, GVK: 635798514
  • Albrecht, Ruth 1954- : Schloss Ahrensburg als Ausgangspunkt diakonischer Aktivitäten. 2005, In: Gottes Wort ins Leben verwandeln, Hannover: Landeskirchliches Archiv, 2005, (2005), Seite 295-343, GVK: 50732840X
  • Albrecht, Ruth 1954- : Fromm oder verrückt? Streit in Wandsbek um Gräfin Schimmelmann. Hamburg, 2011, GVK: 68426000X
  • Albrecht, Ruth 1954- : Repräsentantin des Adels und extravagante Evangelistin Adeline Gräfin von Schimmelmann im Spiegel der internationalen Presse nach 1900. 2019, In: Pietismus und Neuzeit, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1974, 43(2017), Seite 249-287, GVK: 1048655482

Weitere Literatur